
Es gibt Mythen, die so hartnäckig sind, dass sie sich in unser kollektives Bewusstsein eingebrannt haben wie das Bild von Einhörnern, die auf Regenbögen tanzen. Einer dieser Mythen ist die perfekte Work-Life-Balance. Angeblich soll es möglich sein, beruflichen Erfolg, ein erfülltes Privatleben, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, Sport, Selbstverwirklichung und tiefgründige Freundschaften unter einen Hut zu bekommen und das alles, ohne dabei wie ein überforderter Pinguin auf Glatteis zu wirken.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch.
Es gibt Mythen, die sind so haltbar wie ein Aldi-Billigregal und genauso leer, wenn man wirklich etwas darauf abstellt. Die perfekte Work-Life-Balance ist so ein Mythos. Sie wird verkauft wie veganer Joghurt: Alle tun so, als hätten sie ihn im Kühlschrank, aber eigentlich lebt er nur in der Werbung.
Die Work-Life-Balance als Squid Game:
Wer wirklich glaubt, dass zwischen Excel-Tabellen, Erziehungsratgebern und Intervallfasten irgendwo eine magische Waage steht, auf der sich alles ausbalancieren lässt, der glaubt auch, dass Kim Kardashian heimlich Gedichte schreibt. Willkommen im Glashaus mit Wurfbefehl.
Unser Alltag ist kein harmonisches Schaukeln auf einer Slackline über dem Zen-Garten. Es ist ein perfides Strategiespiel. Wer „Squid Game“ gesehen hat, weiß: Ein falscher Schritt und du bist raus. In der Karriere? Scheitert die Beziehung. In der Beziehung? Ruft der Chef um 21:47 an und fragt, ob du „kurz“ was fertig machen kannst.
Falls jemand auf der Suche nach einer treffenden Metapher für die moderne Work-Life-Balance ist, sollte er sich die Serie Squid Game ansehen. Der Alltag gleicht oft einem perfiden Spiel, bei dem man hofft, nicht als Nächstes eliminiert zu werden. Statt mit tödlichen Spielen haben wir es mit Deadlines zu tun, statt einer finalen Belohnung gibt es Burnout und egal, wie sehr man sich anstrengt, irgendjemand sitzt immer in der Ecke und lacht darüber, dass man glaubt, das Spiel gewinnen zu können.
Die Work-Life-Balance ist wie das berüchtigte Glasbrücken-Spiel: Man weiß nie, welcher Schritt das Ende bedeutet. Setzt man auf Karriere, leidet das Privatleben. Versucht man, ein entspannter Familienmensch zu sein, rückt die Beförderung in weite Ferne. Und wie bei Squid Game gibt es auch hier die rücksichtslosen Spieler, die sich mit Ellbogen durchsetzen und andere von der Brücke schubsen nur dass es in der echten Welt “ehrgeizige Kollegen” genannt wird.
Realität vs. Instagram-Ästhetik
In der Theorie sieht das Konzept großartig aus. Morgens um 5 Uhr aufstehen, eine Stunde meditieren, einen literarisch wertvollen Roman lesen, einen grünen Smoothie trinken, dann produktiv arbeiten, mittags eine Runde joggen, die Kinder aus der Kita holen, am Nachmittag ein Side-Business aufbauen, ein kreatives Hobby pflegen und am Abend mit Freunden bei Rotwein über existenzielle Fragen philosophieren alles fein säuberlich dokumentiert mit ästhetisch perfekten Bildern für Social Media.
In der Realität sieht der Versuch, das eigene Leben so zu organisieren, eher aus wie ein schlecht geöltes Zahnradwerk: Man hetzt von Termin zu Termin, lebt in einem permanenten Zustand der Zeitnot und kann sich nicht erinnern, wann man das letzte Mal in Ruhe gegessen hat, ohne dabei E-Mails zu beantworten oder parallel einem Podcast über effektives Zeitmanagement zu lauschen.
Natürlich möchte niemand mittelmäßig sein. Wir werden seit Jahren mit dem Gedanken bombardiert, dass es nicht reicht, einfach nur zu leben – wir müssen das Beste aus uns herausholen! “Du kannst alles schaffen, wenn du nur willst!” tönt es aus allen Ratgebern, Podcasts und LinkedIn-Posts. Also verbringen wir unsere Tage damit, uns selbst zu optimieren, Kalender zu perfektionieren, Notion-Boards zu pflegen und unseren Schlaf mit Smartwatches zu überwachen.
Und trotzdem fühlt sich das Ganze an wie ein Hochseilakt ohne Netz…
Denn die bittere Wahrheit ist: Selbst wenn man sein Leben bis ins kleinste Detail plant, bleibt am Ende doch nur das Chaos. Die Spülmaschine geht kaputt, das Kind bekommt Windpocken, der Chef verlangt spontan eine Präsentation, der Partner beschließt, dass jetzt der perfekte Moment für eine Diskussion über die Beziehung ist und plötzlich ist das wunderschön durchgetaktete Konzept der Work-Life-Balance so nützlich wie ein Regenschirm im Orkan.
Der Druck, in jedem Lebensbereich Höchstleistungen zu bringen, ist so absurd, dass man sich fragt, ob nicht eine geheime Gesellschaft existiert, die im Hintergrund all das orchestriert ähnlich wie eine dystopische Reality-Show, in der jeder von uns unfreiwillig mitspielt...
Man soll sich weiterbilden, aber nicht zu gestresst wirken. Erfolgreich im Job sein, aber genügend Freizeit haben. Viel reisen, aber klimaneutral leben. Sich gesund ernähren, aber auch genießen. Kinder haben, aber nicht den Karriereweg verlassen. Perfekt aussehen, aber nicht eitel sein. Man könnte fast meinen, das moderne Leben sei ein perverses Experiment, um herauszufinden, wie lange Menschen unter widersprüchlichen Anforderungen funktionieren, bevor sie in der Ecke zusammenbrechen.
Der Druck, in jedem Lebensbereich Höchstleistungen zu bringen, ist so absurd, dass man sich fragt, ob nicht eine geheime Gesellschaft existiert, die im Hintergrund all das orchestriert – ähnlich wie eine dystopische Reality-Show, in der jeder von uns unfreiwillig mitspielt.
Die eigentliche Lektion, die wir lernen müssen, ist, dass die perfekte Work-Life-Balance nicht existiert. Das Leben ist kein symmetrisches Konstrukt, sondern ein wilder Mix aus Chaos, Glücksmomenten, Stress, Zufällen und gelegentlichen Erfolgen. Statt einem starren Gleichgewicht nachzujagen, sollten wir lernen, flexibel zu sein und mit dem Flow zu gehen auch wenn dieser Flow manchmal eher einer reißenden Stromschnelle gleicht.
Manchmal wird die Arbeit überhandnehmen, manchmal das Privatleben. Mal geht man früh schlafen, mal binge-watcht man Netflix bis drei Uhr morgens. Mal isst man gesund, mal verschlingt man eine Familienpizza alleine. Und das ist in Ordnung. Denn wahre Balance bedeutet nicht, jeden Tag perfekt zu gestalten, sondern im Chaos nicht den Verstand zu verlieren.
Vielleicht ist das eigentliche Erfolgsrezept weniger eine perfekt ausbalancierte Skala, sondern vielmehr die Fähigkeit, inmitten des Durcheinanders trotzdem zu lachen und sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Denn am Ende zählt nicht, ob unser Leben aussieht wie ein Instagram-Post, sondern ob wir es wirklich genießen.
Die Selbstoptimierungs-Falle:
Wir leben in der Epoche der „Höher, schneller, perfekter“-Affen. Wer nicht mindestens drei Apps zum Schlaftracking, Journaling, Digital Detox und Stechuhr-für-den-Sex hat, zählt als renitenter Steinzeitmensch. „Du kannst alles schaffen, wenn du nur willst“ außer vielleicht einen klaren Gedanken zwischen Zoom, Homework und postpandemischem Erwartungschaos.
Und während du die nächste Zeitmanagement-Bibel liest, platzt der Postbote mit einem Paket, das du nicht bestellt hast, dein Kind kotzt dir ins Homeoffice und der Hund pinkelt auf den Juteteppich.
Warum Balance eine Lüge ist (und das besser so):
Der Versuch, in jedem Lebensbereich Weltmeister zu sein, ist ein Squid Game ohne Preisgeld nur mit Burnout-Urkunde. Die Gesellschaft will, dass du alles schaffst und trotzdem entspannt aussiehst. Wie eine Fitness-Influencerin im 9. Monat, die behauptet, ihre Schwangerschafts-Cellulite „zu lieben“. Bullshit.
Mal läuft die Arbeit besser, mal das Leben. An manchen Tagen wirst du Netflix leer bingen, an anderen den Kühlschrank. Und manchmal bist du einfach nur froh, dass niemand gemerkt hat, dass du mit Ketchup-Flecken auf der Bluse ein Kundengespräch geführt hast.
Was wirklich zählt:
Nicht, dass du die Balance hältst, sondern dass du nicht vor lauter Jonglieren vergisst, zu lachen. Dass du dir erlaubst, mittelmäßig zu sein. Zu scheitern. Zu chillen. Dass du dich an Tagen, an denen du mit der Eleganz eines betrunkenen Flamingos durchs Leben stolperst, nicht verurteilst.
Und am Ende des Tages ist die einzige wirklich gesunde Work-Life-Balance der Drink, den du dir genehmigst, weil du noch da bist. Cheers auf den Wahnsinn!
Work-Life-Balance ist kein Ziel, sondern ein Gesellschafts-Mythos. Warum das Leben kein Instagram-Post ist, und weshalb der Versuch, alles perfekt zu balancieren, nur ins Chaos führen kann mit bissigem Humor und klarer Diagnose.
Elda Kovacevic verbindet scharfsinnige Analyse mit ästhetischem Feingefühl. Als Digital Publisher & Kolumnistin schreibt sie über moderne Lebensstile, menschliche Psychologie und die Kunst, sich in einer lauten Welt stilvoll zu behaupten. Mit einem unverwechselbaren Mix aus Humor, Tiefgang und provokanter Eleganz bringt sie komplexe Themen auf den Punkt authentisch, reflektiert und immer mit einer Prise sarkastischer Wahrheit.
hier werden Büro-Märchen Datingdramen, und Interior-Katastrophen auseinander hepflückt wie ein Sonntagsbraten fachgerecht, humorvoll und mit der nötigen Würze Arroganz. Nichts für Zartbesaitete, aber ideal für Menschen mit Geschmack und Rückgrat.